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MAZ 13.02.03
Paul von Hindenburg bleibt Potsdamer Ehrenbürger. Diese Vorentscheidung traf der
Hauptausschuss der Stadtverordneten gestern Abend gegen die Stimmen der PDS und
der Fraktion Die Andere. Mit neun zu vier bei Enthaltung der Grünen folgte das
Gremium der Empfehlung der Historiker Martin Sabrow und Bernhard R. Kroener,
die man um eine wissenschaftliche Bewertung des Streichungsantrages der
Fraktion Die Andere gebeten hatte.
Zugleich einigte man sich, eine Erklärung
zur Person des zweiten deutschen Reichspräsidenten und Generalfeldmarschalls
von Hindenburg zu erarbeiten. Damit solle vermieden werden, das die Ablehnung
der Streichung als "falsches Signal" ankomme, sagte Bündnisgrünen-Fraktionschefin
Saskia Hüneke, auf deren Anregung hin die Erklärung formuliert werden soll. In der
Debatte prallten zwei Sichtweisen aufeinander.
Martin Sabrow vom Zentrum für
zeithistorische Forschungen fasste die eine: Es gehe nicht um ein Pro oder Kontra zu
Hindenburg, sondern um die Frage: "Wie weit geht unsere geschichtspolitische
Reinigungsberechtigung?" Auch sein Kollege Kroener, Professor für Militärgeschichte
an der Universität Potsdam, betonte den zeithistorischen Wert der Ehrenbürgerliste.
Sie sei allein als Geschichtsdokument und im Entscheidungskontext ihrer Zeit zu
nehmen. Ihre Existenz führe immerhin dazu, dass nicht einfach der Mantel des
Vergessens ausgebreitet werde, sagte Kroener. Sabrow verwies darauf, dass andere
Kommunen problematische Namen stillschweigend gestrichen hätten.
Die Gegenposition
vertraten Björn O. Wiede, der die Debatte im Kontext der Vorbereitung der 70.
Wiederkehr des "Tages von Potsdam" ins Rollen gebracht hatte, und PDS-Fraktionschef
Hans-Jürgen Scharfenberg. Wenn man auf die Streichung verzichte, bestätige man damit
den Akt vom April 1933, als die Potsdamer Stadtverordneten Hitler und Hindenburg
gleichzeitig zu Ehrenbürgern erklärten.
Kroener verwies auf ein Problem: Potsdam
habe bisher nur Nazi-Größen aus seiner Liste gestrichen. Wenn nun als einziger
Nicht-Nazi Hindenburg getilgt würde, setzte man ihn mit Hitler und Göring gleich.
Dass dies angesichts der Differenziertheit der Person unangemessen wäre,
verdeutlichten beide Historiker.
Sabrow erklärte, dass man den Reichspräsidenten
natürlich als Steigbügelhalter der Nazis sehen könne, wenn man die Dolchstoßlegende
und den permanenten Versuch der Restaurierung der Monarchie heranziehe. "Dies ist
eher die Vita eines Henkers denn eines präsidialen Hüters der Republik", sagte
Sabrow. Dennoch gebe es genug Gründe für die Gegenthese, dass Hindenburg
"effektiveren Widerstand gegen Hitlers Machtübernahme geleistet hat als der
kommunistische Parteiführer Ernst Thälmann oder der sozialdemokratische
Ministerpräsident Otto Braun". Ohne die Kandidatur des 84-Jährigen wäre Hitler
bereits im April 1932 Reichspräsident gewesen, sagte Sabrow. Die Nationalsozialisten
hätten stattdessen den Eindruck gewinnen müssen, sie könnten sich "zu Tode siegen",
würden aber stets am "Bollwerk Hindenburg" scheitern.
Kroener erinnerte daran, dass
sich der greise Reichspräsident noch am 20. Januar 1933 geweigert hatte, Hitler zum
Reichskanzler zu berufen. Er wurde erst durch seinen Sohn Oskar und den
zurückgetretenen Reichskanzler Franz von Papen überzeugt, dass die Einbindung der
Nazis ins Kabinett einzige Alternative zur gescheiterten Politik der Notverordnungen
sei. Bis dahin hatte Hindenburg stets die Ansicht vertreten, er könne keiner Partei
die Macht übergeben, die "einseitig gegen Andersdenkende eingestellt" sei und eine
Diktatur anstrebe, erinnerte Kroener.
Der "Tag von Potsdam", an dem Hindenburg,
nicht Hitler im Vordergrund gestanden habe, könne insofern auch als "letzte
glänzende Manifestation des konservativen Preußentums" gedeutet werden, sagte Martin
Sabrow.
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