Brief an die Teilnehmerinne der Kreissynode der evangelischen Kirche
des Kirchenkreises Potsdam
Potsdam 27. Oktober 2001

Sehr geehrte Teilnehmerin und Teilnehmer der Kreissynode der ev. Kirche des Kirchenkreises Potsdam.

Die Stadt Potsdam hat ein Problem. Seit geraumer Zeit ist die Traditionsgemeinschaft "Potsdamer Glockenspiel" aus Iserlohn bemüht, die Potsdamer Hof- und Garnisonkirche wiederaufzubauen. Die Kirche diente den preussischen Königen über bald anderthalb Jahrhunderte als Aufstellungsort ihrer Kriegstrophäen und wurde von den Natiolnalsozialisten zur Inszenierung des "Tages von Potsdam", dem symbolischen Schulterschluß zwischen Nazis und altem Preußentum, genutzt.

Das im Potsdamer Kirchenkreis zur künftigen Nutzung des nachgebauten Garnisonkirchenturmes entwickelte Konzept enthält unter anderem ein Versöhnungszentrum, das am Versöhnungsgedanken der Nagelkreuz- Initiative von Richard Howard, dem Dompropst der 1940 durch die deutsche Luftwaffe zerstörten Kathedrale von Coventry, ausgerichtet werden soll. Auf die Spitze des Kirchturmes soll eine Nachbildung des Nagelkreuzes von Coventry.

Dieses Konzept hat nun dazu geführt, daß die Traditonsgemeinschaft für einen Moment die Maske des angeblichen Kirchenbauvereins fallenließ. Hatte der Vorsitzende Max Klaar 1989 noch das Wiedererstehen Deutschlands in den Grenzen von 1937 erhofft, war man in den letzten Jahren sehr bemüht, den Verdacht zu zerstreuen, mit dem Aufbau des Garnisonkirchenturmes, einen Wallfahrtsort für rechte und konservative Verehrer des preußischen (Un)Geistes oder gar des Nationalsozialismus zu schaffen.

Das Konzept des Potsdamer Kirchenkreises jedoch war den Damen und Herren scheinbar schon zu viel. Für den Aufbau eines Versöhnungszentrums würde die Traditionsgemeinschaft das Geld nicht bereitstellen, auf den Kirchturm gehöre wieder der preußische Adler, hieß es in Presseverlautbarungen der Traditionsgemeinschaft und insgeheim wünscht man sich auch wieder die Grablegung des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I.

Der Gedanke des Wiederaufbaus der Garnisonkirche wurde von Aussen in die Stadt Potsdam hineingetragen, ohne dass die PotsdamerInnen selbst eine Notwendigkeit darin gesehen hätten. Die Personen und Kreise, die den Wiederaufbau propagieren, haben sich wiederholt durch zweifelhafte Äusserungen und Taten hervorgetan.

Unserer Meinung nach soll hier unter dem Deckmantel des Versöhnungsgedankens der christlichen Nächstenliebe eine zweite, ganz andere Botschaft transportiert werden, die mit dem vorgeschobenenen Inhalten nichts mehr zu tun hat. Für die Stiftenden und Spendenden steht der Gedanke einer sogenannten nationalen Identität und Rehabilitation des Preußentums im Vordergrund.

Am Ursprungsort der Versöhnungsiniatitive, in Coventry selbst, wurde auf einen Wiederaufbau des zerstörten Kirchengebäudes bewusst verzichtet. In Potsdam soll auf den politisch motivierten Abriss der Garnisonkirche 1968 im 21. Jhrdt. ein politisch motivierter Wiederaufbau erfolgen. Wir glauben, dass dies in diesem Kontext genau das falsche Signal wäre und dem eigentlichen Versöhnungsgedanken diametral entgegensteht.

Wir meinen nach wie vor, dass ein Wiederaufbau ohne die Befragung der Potsdamer Bürgerinnen und Bürger nicht in Frage kommt.

Sollte die Mehrheit der hier lebenden Menschen sich demokratisch für ein solches oder ähnlich geartetes Projekt entscheiden, muß dieses in verantwortbarer Weise für die Stadt und vor allem mit Hilfe seriöser Partnern realisiert werden. Ein Wiederaufbau der Garnisonkirche ist als Zeichen der Versöhnung nicht notwendig und gegen den Nebel der Erinnerung hilft nur ein unsentimentales Erinnern.

Potsdam 26. Oktober 2001

Für die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär Potsdam

Jan Wendt                 Falk Richter

zurück