Gregor Schliepe Sehr geehrte Damen und Herren ! Ich bin dagegen, daß die Garnisonkirche oder ihr Turm wieder aufgebaut wird. Das wissen Sie alle schon aufgrund der Ankündigung, und ich will Ihnen diese Haltung auch begründen. Viele Befürworter des Wiederaufbaus verweisen auf städtebauliche Aspekte, deshalb will ich damit beginnen und dazu ein klein wenig ausholen. Unter dem Oberbegriff Städtebau lassen sich ja eine ganze Reihe von
„Vorkommnissen“ zusammenfassen, die sich aber, wie ich festgestellt habe,
gut zu zueinander passenden Paaren sortieren lassen. Eine weitere Zweiergruppe bilden der Abriß eines nicht mehr benötigten
Gebäudes auf der einen und der Bau eines neuen Gebäudes aufgrund neu
entstandener Bedürfnisse auf der anderen Seite. Beide sind Ausdruck
einer sich wandelnden Zeit, sie tragen wesentlich zur Veränderung des
Stadtbildes bei, der Stadt wird dadurch der „Stempel“ der jeweiligen
Zeit aufgedrückt, deshalb liegen beide auf einer Ebene. Natürlich gibt es nichtsdestotrotz sowohl für den Abriß als auch für den Wiederaufbau Hintergründe und Motivationen, aber Sie ahnen sicherlich, daß ich deren Tragfähigkeit arg bezweifle. Ausführungen über die Sprengung, die ich, und das ist meine ganz private Meinung, für damals unüberlegt, kurzsichtig und ideologisch eingetrübt halte, spare ich mir hier natürlich, aber mit dem möglichen Wiederaufbau, der für mich mit der Sprengung auf einer Stufe steht, will ich mich auseinandersetzen. Ich bin gegen diesen Wiederaufbau schon aufgrund der Geschichte der ehemaligen Garnisonkirche. Viele behaupten, das Gotteshaus Garnisonkirche sei nur an einem Tag seiner Geschichte von den Nazis „mißbraucht“ worden. Jedoch, sehr geehrte Anwesende, dies ist ein Irrtum. Der Mißbrauch dieser Kirche ist so alt wie sie selbst. Von Beginn, also vom Jahre 1732 an, hatte dieses Haus nicht in erster Linie kirchliche, sondern staatliche, und zwar sehr preußisch-staatliche Zwecke zu erfüllen. Sie wurde eingeweiht, so ist es vom Soldatenkönig überliefert, als „eine Versammlungshalle für die geistig-moralische Züchtigung der ‚Riesenkerle’“. Nicht extra betont werden muß wahrscheinlich, daß der Gottesdienstbesuch für die Soldaten Pflicht, man könnte auch sagen, „ZWANG“ war. Aber haben Sie denn beispielsweise alle gewußt, daß bereits 1737, also 5 Jahre nach der Einweihung, den Innenraum der Kirche zwei römische Kriegsgottheiten, nämlich Mars und Bellona, zierten? In einer Kirche! Das Christentum mit seinem Monotheismus und seiner Botschaft hat so was eben nicht zu bieten! In der Folgezeit diente das Haus zunehmend als Ausstellungshalle für die in verschiedenen Kriegen erbeuteten Trophäen. Fahnen und Standarten der Besiegten aus dem 2. Schlesischen Krieg, später aus den Napoleonischen Kriegen und noch viel später, in Wilhelminischer Zeit, aus dem, nun gesamt-großdeutsch errungenen Sieg über Frankreich, wurden im Altarraum zur Schau gestellt, um aller Welt die militärische Machtfülle und den Herrschaftsanspruch des Preußentums zu demonstrieren. In der Garnisonkirche wurden die großen Siegesfeiern, beispielsweise nach dem siegreichen Dänenfeldzug 1864 gefeiert, und mit dem Glockengeläut der Garnisonkirche wurden Soldaten in den Krieg, z. B. in den 1. Weltkrieg, geschickt, aus dem viele nie wieder kamen. Das, meine Damen und Herren, war Mißbrauch, und ohne diesen zweihundertjährigen preußisch-selbstverständlichen Mißbrauch hätte der eine unglückselige Tag von Potsdam so niemals stattgefunden. War doch gerade die Kirche und die ihrer Religiosität innewohnende Unabhängigkeit den Nazis mehr als suspekt. Ich darf jedoch Adolf Hitler zitieren: „Es gibt kein höheres Symbol, als daß nach dem Verbrechen im Reichstag jetzt die nationale Regierung nach Potsdam geht, um an der Bahre des großen, unsterblichen Königs in der Garnisonkirche das neue Werk des deutschen Wiederaufbaus zu beginnen.“ Das ist der überlieferte Symbolgehalt der Garnisonkirche, für alte wie für neue Nazis! Die Kirche hatte in der Tat nur eine friedliche, von religiöser Nutzung dominierte Zeit, und das war, als das, was von ihr übrig war, nicht Garnisonkirche, sondern Heilig-Kreuz-Kirche hieß, zwischen 1945 und ihrer Sprengung 1968. Solange sie stand, war die Garnisonkirche zum weithin sichtbaren Symbol für die militärische Macht und Vorherrschaft des Staates Preußen geworden. Diese Symbolfunktion hat 200 Jahre lang alle anderen möglichen Funktionen überdeckt. Und wer heute dieses Gebäude neu errichten will, muß wissen, daß er dieses Symbol miterrichtet. Nun sagen viele, allen voran die Aufbaubefürworter der evangelischen K
irche, daß die Zukunft der Garnisonkirche ja trotz ihrer Symbolwirkung
völlig anders sein kann als ihre Vergangenheit. Aber das kann ich nicht
glauben. Es genügt bereits, sich die beteiligten Protagonisten anzusehen.
Das wirkliche Bedürfnis nach diesem Koloß kommt jedoch von der anderen Seite, den, wie man sicherlich behaupten darf, wahren Protagonisten, denn die haben schließlich das ganze Geld zusammengebracht. Doch woran knüpft das Bedürfnis der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel? Mittlerweile habe ich einige Male den Internetauftritt dieses Vereins gesehen. Bis vor wenigen Wochen wurde man hier noch auf der Startseite mit den Liedzeilen "Du sollst an Deutschlands Zukunft glauben, an deines Volkes Aufersteh' n;laß' diesen Glauben Dir nicht rauben trotz allem, allem, was gesche' n und handeln sollst Du so als hinge von Dir und deinem Tun allein das Schicksal ab der Deutschen Dinge und die Verantwortung wär' dein!" und "Wach auf, wach auf, du deutsches Land, du hast genug geschlafen.......“ begrüßt. Diese sind jetzt plötzlich verschunden, doch wenn man
die ebenfalls dort befindlichen Rundbriefe des Vereinsvorsitzenden
Max Klaar, seines Zeichens Oberstleutnant a.D., liest,
wird einem doch etwas anders. „...Bei der Prüfung der Kriegsschuldfrage muß umfassende Betrachtung der damaligen Situation erlaubt sein, wozu auch gehört, wie das Versailler Diktat von unserer Vätergeneration empfunden wurde. Ist es denn unwahr, daß der polnische Staatschef Ridz Smigli im Frühjahr 1939 in Krakau vor Offizieren sagte: ‚Meine Herren, es gibt Krieg, ob die Deutschen wollen oder nicht!’ Ist es denn unwahr, daß der britische Außenminister nach dem deutschen Einmarsch in Polen gesagt hat: ‚Endlich haben wir Hitler zum Krieg gezwungen, so daß er nicht mehr einen Teil des Versailler Vertrages nach dem anderen außer Kraft setzen kann.’?...“ Danach spricht Klaar die Progrome an Deutschen in Polen und der
Tschechoslowakei an, und im nächsten Abschnitt: Mit so einer Grundhaltung zur deutschen militärischen Vergangenheit geht die Traditionsgemeinschaft im Internet und damit in der ganzen Welt hausieren. Ich finde es nicht unlogisch, daß sich Leute mit dieser Gesinnung so stark für die Garnisonkirche engagieren. Auch die gebetsmühlenhafte Betonung, daß die Traditionsgemeinschaft nur ein einfacher Kirchbauverein ist und die Kirche ausschließlich religiösen Zwecken dienen soll, kann das nicht verdecken. Für den Soldatenkönig war das Zwingen seiner Soldaten zum Gottesdienst auch ein religiöser Zweck bzw. das dadurch geheiligte Mittel. Entscheidend ist, was hinter dem Aufbaubedürfnis des Hauses steht, und im Falle der Garnisonkirche ist es nun mal nicht Gottesfurcht, sondern die Pflege guter alter preußischer Militärtradition, und deren Fans würden von dem Bau, schon allein vom Aufbaugeschehen, angelockt werden, ob die evangelische Kirche das wahrhaben möchte oder nicht. Ich appelliere deshalb an alle vernünftigen Menschen in dieser Stadt: Denken Sie noch mal nach, stellen Sie sich nicht auf eine Stufe mit Walter Ulbricht, lassen Sie die Finger von diesem Bau! Vielen Dank |