Berliner Zeitung

Autor: Martin Klesmann

Datum: 03.01.2005

Ressort: Lokales

Seite: 30

Schwieriges Gedenken

Vor 60 Jahren tagten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs in Potsdamer Schloss Cecilienhof

POTSDAM. Eigentlich, so dachte sich der Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), sollte die Welt im Sommer 2005 auf die Stadt an der Havel schauen: Die Staatsoberhäupter von Russland, den Vereinigten Staaten von Amerika und von Großbritannien sollten kommen und den 60. Jahrestag der Potsdamer Konferenz am historischen Ort würdig begehen - wenigstens aber sollten doch die Regierungschefs kommen.

Damals vor 60 Jahren hatten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs im Potsdamer Schloss Cecilienhof die europäische Nachkriegsordnung festgelegt. Der sowjetische Diktator Stalin, die britischen Premiers Winston Churchill und Clement Atlee sowie US-Präsident Harry Truman bestätigten dort die Teilung Deutschlands und Europas und regelten die Verteilung der Einflusssphären in der Welt. Sie verpflichteten sich im Potsdamer Abkommen, die Deutschen zu demokratisch geprägten Menschen umzuerziehen und stimmten der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten zu. Außerdem wurde festgelegt, welche Reparationen Deutschland zu leisten hatte.

Zu hoher Sicherheitsaufwand

Dieser jahrzehntelang nachwirkende Konferenz also wollte die Stadt Potsdam nun mit einer großen Gedenkveranstaltung begehen. "Wir hatten bereits konkrete Planungen begonnen", heißt es aus dem Büro des Potsdamer Oberbürgermeisters. Doch die Potsdamer Staatskanzlei von Ministerpräsient Matthias Platzeck hat SPD-Oberbürgermeister Jakobs schließlich in einem Gespräch klar gemacht, dass eine solch prominente Veranstaltung der Landesregierung nicht ins Konzept passe. "Wir haben ihm den Zahn ziehen müssen", hieß es dazu aus der Protokollabteilung der Staatskanzlei. Eine solche Großveranstaltung laufe Gefahr, eine geplante zentrale Gedenkfeier zum 60. Jahrestages des Kriegsendes in Berlin in den Schatten zu stellen. Außerdem hätte ein überaus hoher Sicherheitsaufwand betrieben werden müssen. "Und die Queen war ja gerade schon in Cecilienhof", heißt es in der Staatskanzlei. Vor allem aber sei es schwierig gewesen, dem 60. Jahrestag der Potsdamer Konferenz eine aktuelle politische Botschaft angedeihen zu lassen. Tatsächlich sei damals ja alles Mögliche hier beschlossen worden. US-Präsident Truman schrieb sogar in seiner Villa an der offiziellen Presseerklärung zum Atombombenabwurf auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki.

Hinzu kommt, dass die Landesregierung sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, zentrale Feierlichkeiten allein auf die reiche Landeshauptstadt zu konzentrieren. Deshalb räumt die Potsdamer Staatskanzlei der vom Landkreis Märkisch-Oderland geplanten Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag der blutigen Schlacht um die Seelower Höhen große Bedeutung ein. Bei heftigsten Gefechten zwischen der Wehrmacht und der heranrückenden Roten Armee waren dort im April 1945 etwa 50 000 Soldaten ums Leben gekommen, davon allein 33 000 Rotarmisten. Was die Potsdamer Konferenz angeht, soll es nun lediglich ein wissenschaftliches Symposium am historischen Ort in Cecilienhof geben, das der Historiker Manfred Görtemaker von der Universität Potsdam derzeit vorbereitet. Die Tagung soll hochkarätig besetzt sein. Die Landesregierung bereitet einen Empfang vor. Die Stadt Potsdam unterstützt das Symposium und will mit eigenen Veranstaltungen einen Bogen spannen von der Zerstörung der Potsdamer Stadtmitte im April 1945 bis hin zu den Feierlickeiten zur deutschen Einheit, die in diesem Jahr in Potsdam stattfinden. Bereits im April soll der Grundstein für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche gelegt werden. Jene kriegsbeschädigte Kirche, in der die Nationalsozialisten einst den Schulterschluss mit dem Preußentum inszeniert hatten, war 1968 auf Geheiß der SED-Oberen gesprengt worden.

Auch das Potsdamer Einstein-Forum plant für Mitte Juni eine Veranstaltung unter dem Arbeitstitel "Paradigma Potsdam - Wege zur Demokratie". Der informelle Arbeitstitel lautet: "Kann man ein besiegtes Volk umerziehen?". Dabei soll es auch um die aktuelle Situation im Irak oder in Afghanistan nach der US-Invasion gehen. Und die FPD-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung beschäftigt sich mit der Potsdamer Konferenz unter dem Aspekt: Wie viele liberale Ideen fanden sich im Potsdamer Abkommen? Die Stiftung hat ihren Sitz in der Villa, in der US-Präsident Truman einst wohnte und zur Entspannung am Piano spielte.

Gedenkstätte im Erdgeschoss

Schloss Cecilienhof, der historische Tagungsort, ist baulich in einem besseren Zustand als ältere Potsdamer Schlösser. "Nur das Dach ist durch einen Materialfehler in keinem allzu guten Zustand", sagt Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Schlösserstiftung. Aber es bestehe keine Gefahr. Das Schloss wirkt wesentlich bescheidener als es ist: Um über das wahre Ausmaß des Potsdamer Landhaus-Schlosses mit seinen 176 Zimmern hinwegzutäuschen, wurden die einzelnen Baukörper geschickt um mehrere Innenhöfe herum verlegt.

Im Schloss befinden sich heute Hotel und Restaurant, in dem die Landesregierung gerne Staatsgäste empfängt. Einige Räume im Erdgeschoss sind als Gedenkstätte "Potsdamer Konferenz" eingerichtet worden. Hier ist das Mobiliar vom Sommer 1945 noch erhalten. Im Holz getäfelten Konferenzsaal befindet sich auch noch der rundliche Konferenztisch samt den Sesseln, auf denen Stalin, Truman und die anderen damals saßen. Die heutigen Staatsoberhäupter werden darauf aber nicht Platz nehmen, auch wenn der Potsdamer Oberbürgermeister sie gerne begrüßt hätte.

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